Die grüne Pyramide

Gedanken einer Kaninchenhalterin auf dem Weg zu einem guten Futterkonzept


Kaninchenfutter


was muss es leisten?



Die Tierärztin Diana Ruf erläutert auf ihrer   ---> Homepage

in kurzen klaren Worten die Anforderungen an die Kaninchenernährung.



Kaninchenfutter soll

  • Nährstoffe, Vitamine und Mineralien in der richtigen Menge liefern
  • den Zahnabrieb sicherstellen
  • die Zahnwurzeln schonen
  • die guten Darmbakterien optimal ernähren
  • die Darmmotorik fördern

Und dann ist da noch die Sache mit dem Calcium.... Kaninchenfutter soll Blasengries vorbeugen.

Alle Kriterien werden erfüllt durch artgerechtes Futter,

Wiese oder Ersatzwiese!


Eine klare Sache, oder?


Warum ist es dann so kompliziert und warum werden so viele Kaninchen krank?

Weil die Beschaffung großer Mengen artgerechten Futters schwierig sein kann, je nach Region und Jahreszeit sehr unterschiedlich ist.


Wie kann ich die grüne Pyramide konsequent umsetzen?


Im Sommer kann man pflücken, doch je nach Wohnort reicht das auch nicht immer.

Spätestens im Winter muss jeder zukaufen. Im Winter müssen wir unseren Kaninchen die Wiese nachbauen, eine Ersatzwiese schaffen aus Kohl, Bittersalaten, Küchenkräutern und Gemüsegrün.


Im Supermarkt einkaufen?  Hier bekommen wir eher das Falsche, normales Gemüse und weiche Salatsorten. Je nach Einkaufszeit oder Zufall sind die Regale außerdem oft leer bis auf ein paar welke Reste.


Um die grüne Pyramide, das blättrige grüne Frischfutter, in ausreichender Menge zu sichern sind unbedingt Bezugsquellen außerhalb der Supermärkte notwendig.

Es kommen in Frage Gemüseläden, Gemüsegärtnereien, Bauernmärkte, Hofläden, Internetversand.

Austausch mit anderen Kaninchenhaltern kann sinnvoll sein, Stichwort Vernetzung. Manche Vereine organisieren Sammelbestellungen.

So kann man versuchen an seinem Wohnort  ein Konzept zu finden wo und wann Einkaufsmöglichkeiten bestehen und den Rest ergänzen über die Frischfutter Versandanbieter, die oft selbst Kaninchen halten

Grünhopper Fresh Greens Kaninchenkiste Grünkohl, Salat & Co. für Kaninchen (Facebookgruppe)

Leckerlis...


Wurzelgemüse, Knollengemüse, heimisches Obst z. B. Äpfel oder Birnen...

Hier hat niemand ernsthaft Probleme mit der Beschaffung.


Hier geht es um eine ganz andere Ebene, um Menge und Aufbereitung.



Leckerlis sind kleine feine Zugaben, mit Betonung auf klein. Kleine Portionen. Bemessen in Gramm. Eine halbe Karotte zu viert. Ein halber Apfel zu siebt. Das darf den Speiseplan meiner Kaninchen bereichern ohne den Darm übermäßig zu belasten


Obst und Gemüse sind sehr beliebt.... ABER

Obst und Gemüse verweilen länger im Verdauungstrakt.

Obst und Gemüse fördern Hefen. Beides kann Verdauungsstörungen auslösen.


Im Internet gibt es viele Darstellungen der Futterpyramide für Kaninchen, es gibt viele Ratschläge und sehr widersprüchliche Aussagen. Das meiste kann ich filtern doch im Zweifel wähle ich als Halter immer das geringste Risiko:

Die Zahnwurzeln schonen - Saaten streichen wegen der Druckbelastung.

Den Darm schonen - Obst und Gemüse stark reduzieren, als Leckerli einstufen und außerdem raspeln.

Die Ausscheidung von Calciumüberschuss fördern - sich am natürlichen Futter orientieren und das ist sehr wasserhaltig - Faustregel frisch vor trocken.


Diana Ruf, die Tierärztin aus Bichl, bietet Seminare und Webinare für Kaninchenhalter an. Alle Zusammenhänge erklärt sie geduldig und verständlich. 


Wissen für Kaninchenhalter Präsenz und online

.Im Webinar "Zähne - Physiologie und Krankheiten"  wird ein Bild gezeigt das mich sehr nachdenklich gemacht hat und letztendlich zum Umdenken brachte. Ich habe es hier nachgezeichnet und um die mündlichen Erläuterungen ergänzt.


Im Webinar wird zuerst die Physiologie der Kaninchenzähne und der natürliche Kauvorgang erklärt.


Das Kaninchen ist ein Blattfresser.


Die Zähne des Kaninchens wachsen lebenslang nach. Durch lange Kauvorgänge reiben die  Zähne sich gegenseitig ab. Hingebungsvoll mümmeln die Kaninchen Wiese, stundenlang jeden Tag. So werden sie satt und die Zähne bleiben im Abrieb.


Die Schneidezähne bilden einen Bogen und sind weiter hinten im Mundraum verwurzelt. Wie eine Zange. Beim Nagen an Ästen z. B. werden die Kräfte durch die Zangenform so abgeleitet, dass kein Druck auf die Wurzeln entsteht. Die Nagezähne haben also eine besondere Form um vorne Kraft und Druck auszuüben und gleichzeitig die Wurzeln vor Schaden zu bewahren.


Die Backenzähne haben lange Wurzeln die senkrecht unten bzw. oben im Kiefer verankert sind. Das Zerkauen von Blättern geschieht in horizontalen Bewegungen, es ist eher ein schnelles Abschneiden durch Hin- und Herbewegungen. Weil dieses Gebiss hochspezialisiert ist auf blättriges Futter. Die Druckkräfte die bei diesen horizontalen Bewegungen entstehen werden seitlich abgeleitet und schaden dem Kaninchen nicht.


Sobald aber das Kaninchen ein Futter aufnimmt das nicht mit diesen horizontalen Bewegungen zerschnitten werden kann, muss das Kaninchen sein Futter pressen. Durch vertikales Zerdrücken mit den Backenzähnen. Gefahr geht aus von

Pellets, Trockenfutter jeder Art, großen harten Saaten oder Körnern. Dabei entstehen vom Backenzahn ausgehend Druckkräfte die senkrecht nach oben oder unten wirken. Direkt auf die Zahnwurzeln. Die für diesen Druck nicht konstruiert sind. Das ist nicht physiologisch, das ist schädigend.



Die unnatürlichen Druckkräfte die von hartem Futter verursacht werden sind in der Grafik mit den großen roten Blockpfeilen dargestellt. Sie wirken schädigend auf die Zahnwurzeln. Hin und wieder kommt ein Kaninchen damit klar, auch in freier Wildbahn werden gelegentlich Saaten gefressen. Hier spielt die Menge und Häufigkeit eine große Rolle. Mit viel Pech kann allerdings auch schon ein einzelnes Ereignis, wie einmal falsch auf ein Korn gebissen, eine Zahnwurzel „ins Nirwana“ befördern, ein Ausdruck der mir aus dem Webinar lebhaft in Erinnerung blieb.


Die Folgen von zuviel Druck auf die Zahnwurzeln sind bekannt – retrogrades Zahnwachstum, das heißt Hineintreiben der Wurzeln tiefer in die Kiefer, die Wurzeln werden gereizt und verursachen Schmerzen, sie entzünden sich und die Schmerzen werden stärker, dann eitern sie und es bildet sich der gefürchtete Abszess.


Die Zahnwurzeln des Oberkiefers können außerdem den Tränen-Nasen-Kanal beeinträchtigen, es entsteht Augenausfluss und / oder Nasenausfluss, es kann sich Eiter bilden, Atemnot auftreten.


Andere Zahnwurzeln im Oberkiefer können das Auge bedrängen wenn sie in die Orbita (Augenhöhle) hineinstoßen. Die Tiere leiden enorm.


Nach dem Webinar über Zähne habe ich die Saaten vom Speiseplan gestrichen - Druckminimierung.

Die stark reduzierte Menge (Darmentlastung) an Gemüse und Obst wird jetzt geraspelt oder mit dem Sparschäler in dünne Streifen geschnitten, Kerne entfernt. Druckminimierung.

Calcium und Phospor

Blasengries und Calcium?

Im Webinar Blasengries wird die Besonderheit im Calciumhaushalt des Kaninchens erklärt und die Bedeutung von Phospor. Calcium ist ein dringend benötigtes Mineral für Knochen und Zähne. Calcium wird nicht bedarfsorientiert vom Darm aufgenommen sondern nach Verfügbarkeit. Der Überschuss an Calcium wird über die Niere ausgeschieden. Darum ist Kaninchenurin oft trübe, das ist physiologisch. Also normal. Aber! die Calciumionen verklumpen bei Überkonzentration im Harn und Blasengries entsteht. Darum ranken sich viele Gerüchte um angeblich ungeeignete Futterpflanzen, die einen hohen Calciumgehalt haben.

Dabei liegt die Lösung auf der Hand. Blasengries wird verhindert wenn der  Urin ausreichend verdünnt ist. Dann haben die Calciumionen ausreichend Abstand voneinander und werden problemlos ausgeschieden.

Wie verdünnt das Kaninchen seinen Urin? Indem es genügend Flüssigkeit aufnimmt.

Und zwar durch Frischfutter. Wasser anbieten reicht nicht.

Auf den Menschen umgerechnet nimmt ein artgerecht ernährtes Kaninchen im Verhältnis pro Tag 20 bis 30 Liter Flüssigkeit zu sich nur aus dem Frischfutter.

Mit trockenen Futtermitteln egal welcher Art kommt dieser Flüssigkeitshaushalt aus dem Gleichgewicht. Nicht immer trinken die Tiere die fehlenden Mengen nach.


Calcium und Phospor?

Phosphor kann den Calciumstoffwechsel empfindlich stören wenn sein Mengenverhältnis zu Calcium nicht stimmt.


Ganz schön kompliziert mit Calcium und Phospor? Nein, denn die Natur präsentiert uns bereits die Lösung.

---> Artgerechtes Kaninchenfutter (Wiese 0der Ersatzwiese) enthält das richtige Calcium/Phosphorverhältnis von Ca:P 2:1 und es liefert auch die benötigte Flüssigkeitsmenge mit, um den Calciumüberschuss unschädlich auszuschwemmen.

Die Faustregel lautet also frisch vor trocken, Wiese vor Heu, keine trockene Nahrung, nur artgerechtes Futter (Wiese oder Ersatzwiese). Dann machen wir es richtig und beugen vielen Krankheiten vor.


Trockenkräuter habe ich nach dem Webinar über Blasengries gestrichen - Prophylaxe Blasengries.


Heu hat einige Vorteile der Wiese und wertvolle Inhaltsstoffe aber den großen Nachteil, dass es trocken ist. Frische Wiese oder Ersatzwiese ist immer dem Heu vorzuziehen.


Und Dauerfrost? Wenn das frische Futter einfriert? Ein wirklich großes Problem in der Außenhaltung. Seit diesem Winter betreiben wir Rotlichtlampen die über dem Futterplatz hängen. Das Futter friert nur noch in Extremnächten ein.


Auch experimentieren wir mit Wärmeplatten. Dabei stehen Grablichter unter einer 2 cm starken Betonfliese, natürlich sicherstellen dass nicht darunter geschlüpft werden kann, z. B. die Fliese  auf ein geschlossenes Viereck aus Ziegelsteinen legen. Und nur im Freien, nie im Stall. In der Voliere im Außenbereich zum Beispiel. Manche Kaninchen schätzen diesen warmen Sitzplatz, andere ignorieren ihn. Das könnte man noch in Richtung gewärmte Futterplatte weiter entwickeln. Die Idee stammt ursprünglich von der Kaninchenwiese, die vorschlägt das Wasser eisfrei zu halten mit einer Grableuchte die in einem Betonring steht und mit einer Steinplatte abgedeckt wird.





Unter der Rotlichtlampe bleibt das Futter frostfrei.




Zwei Kuschelhasen auf der warmen Steinplatte.

Grabkerzen heizen die Betonfliese.

Heumachen ist eine Kunst. Ein Traditionshandwerk im Einklang mit dem Wachsen, dem Jahreskreis und dem Wetter. Hingabe, Sorgfalt und Wissen lassen dieses Naturprodukt entstehen. Gutes Heu hat die Farbe von sattem Grün, es duftet wunderbar und ist locker in der Struktur, loses ungepresstes Heu, das im tiefen Winter die Erinnerung und Sehnsucht an die Wiese weckt.


 Im Sommer wird das Leben und das Füttern wieder leichter und die grüne Pyramide steht von selbst.



Die Ausnahme - Das Zahnkaninchen

Die Ausnahme zur grünen Pyramide gilt für Kaninchen, die infolge von Zahnerkrankungen ihren Energiebedarf nicht aus der grünen Pyramide decken können. Hier gibt es erst mal einige Wege das Futter zu zerkleinern von in-dünne-Streifen-schneiden über raspeln bis zur Herstellung von Brei. Sollte das nicht funktionieren ergänzen wir in großen Krisen auch gern mit ENIGEWEICHTEN Complete Cuni Adult der Firma Versele Laga. Nur im eingeweichten Zustand!! damit nicht beim Kauen gequetscht werden muss, um das Aufquellen der Cunis im Magen-Darm-Trakt zu verhindern und um die Flüssigkeit für das Ausscheiden von Calcium mitzuliefern. Wer selbst Zahnkaninchen hat sollte sich vernetzen um informiert zu werden,  z. B. über Facebook.



Klarahz im Januar 2021

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