Kein Schlangenfutter

 
Kein Schlangenfutter


Die Schlange hatte das Nachsehen .
Ein junges Kaninchen musste nicht den unvermeidbaren Weg der ausgemusterten Jungtiere gehen, der, wie es grausame Praxis in der Welt der Kaninchenzucht ist, buchstäblich in Starre vor einer Schlange endet. Dieses Kaninchen wurde gerettet.

Lexa wurde im Sommer 2004 in einer typischen Kleintierzuchtanlage geboren. Sie war ein weibliches Zwergkaninchen mit einer wunderschönen gelb-
grauen Färbung. Als sie alt genug war in den Verkauf zu gehen wurde sie mit ihren Geschwistern in eine Stallbox gesteckt. Die jungen Kaninchen vermissten ihre Mama sehr, denn hätten sie eine Wahl gehabt wären sie noch lange mit ihr zusammen geblieben. Hätten von ihr gelernt alles was zum Überleben notwendig ist. Statt dessen gibt es einen Schnitt und die Mama ist im nächsten Augenblick einfach weg. Der erste Schock im Leben der jungen Langohren.

Täglich kamen Interessenten auf den Hof, meist Kinder mit ihren Eltern. Die Kinder bohrten ihre Finger durch den Kaninchendraht, machten eine Menge Lärm und zogen wieder ab nachdem sie eines von Lexas Geschwistern ausgesucht hatten, der Züchter es herauszog und in einen Karton steckte. Es wurde einfach fortgetragen. Meist  
einzeln. Niemand fragte wohin, warum und in welche Haltung. Denn das interessiert in Deutschland weder die züchtende Zunft noch den Gesetzgeber.

Irgendwann im September 2004 trat ein neunjähriges Mädchen mit seiner Mutter vor Lexas Box. Durch das Viereck aus Draht, das ihre Welt begrenzte, nahm Lexa den Besuch als einen von vielen wahr denn noch ahnte sie nicht, dass ihr Schicksal damit verknüpft werden würde.

Sie erschreckte sich als der Züchter plötzlich nach ihr griff. Dieses Gefühl in groben Händen nach draußen gezerrt zu werden, kein Boden mehr, und dann der Wechsel auf eine andere Hand von der Lexa nicht wusste was zu erwarten war. Die Menschenfrau und ihre Tochter hielten das Kaninchen in den Händen denn die Entscheidung war bereits gefallen. Lexa wollten sie mitnehmen.

Da stieß die Hand, die streicheln und beruhigen wollte, auf eine seltsame Verdickung am Bauch von Lexa. Vorsichtig drehte die Menschenfrau das Kaninchen ein wenig und erkannte eine Art großen Pickel an der Stelle, wo der Bauchnabel sitzt. Sie fragte den Züchter was das sei.

Dieser griff wieder nach Lexa, leider keineswegs sanft sondern routiniert und gefühllos. Er drehte sie rigoros um, warf einen Blick auf den deutlich eitrigen Pickel und schickte sich bereits an, Lexa in eine leerstehende Box zu stecken. Er erklärte der Menschenfrau dass Lexa nicht mehr zum Verkauf stünde und sie solle sich ein anderes Tier aussuchen. Der Pickel sei ein Bauchnabelabszess durch das Abnabeln. Manchmal kann sich eine Infektion entwickeln wie bei Lexa. Solche Tiere würde er nicht verkaufen, es war ihm bisher nur noch nicht aufgefallen, sonst säße Lexa nicht bei den Verkaufstieren.

Nun erst recht!! Die Menschenfrau und ihre Tochter erklärten kategorisch dass nur Lexa in Frage käme. Die Ungerechtigkeit und hartherzige Vorgehensweise ein krankes Tier einfach auszumustern, empörte die beiden sehr. Der Züchter blieb auch die Antwort auf die Frage schuldig, was denn mit Lexa anderenfalls geschehen würde. Später haben beide erfahren dass auch dieser Züchter wie die meisten, seine „Ausschussware“ als Schlangenfutter verhöckert. Als Lebendfutter. Klar dass er das vor einem neunjährigen Mädchen nicht zugeben wollte.

Die Menschenfrau und das Mädchen setzten ihren Willen durch. Lexa kam mit. Im neuen Zuhause angekommen wartete bereits Tom, ein junger Rammler, nur wenige Wochen älter als Lexa. Und Jonas, ein 3jähriger Kaninchenmann, frisch verwitwet. Hier schlägt unsere Geschichte den Bogen zum „Achten Hasen“ von dem an anderer Stelle erzählt wird.

Mangels Wissen und Erfahrung war in den Tagen vor Lexa´s Ankunft bereits die Vergesellschaftung von Jonas mit Tom misslungen Nun sollte Jonas eine neue Begegnung mit Lexa
haben . Lexa war zwar eigentlich als Partnertier für Tom gedacht, aber seine Chance sollte Jonas bekommen. Vielleicht würde er ein junges Weibchen eher akzeptieren als ein junges Männchen, hoffte die Menschenfrau die sich damals noch überhaupt nicht mit der Vergesellschaftung von Kaninchen auskannte. Bisher hatte sie stets das Glück gehabt, verträgliche Tiere, meist kastrierte Rammler, zu haben, die sich problemlos mit neuen Kaninchen vertragen hatten. Bis auf zwei Ausnahmen wo jeweils Weibchen im Spiel waren. Darum hatte sie auch vorsichtshalber für Jonas erst ein männliches Jungtier, Tom, geholt da nach ihrer Erfahrung kastrierte Rammler grundsätzlich weniger Aggressionen miteinander zeigen. Noch hatte sie nicht den Weg in die Kaninchenforen im Internet gefunden und schlicht und ergreifend keine Ahnung von Vergesellschaftungen. Beim geringsten Jagen oder Fellrupfen gab sie sofort auf. Dass ein Jungtier von sechs Wochen, egal ob männlich oder weiblich, Jonas nicht seine geliebte Kaninchenfrau Gulla ersetzen konnte, ist im Nachhinein betrachtet vollkommen logisch und der Menchenfrau heute auch klar. Es wundert nicht dass Jonas enttäuscht und trauernd die jungen Kaninchen, die da einfach in sein Revier eindrangen, erst mal herumscheuchte und nach ihnen schnappte.

So gesehen scheiterte auch sofort der Versuch zwischen Jonas und Lexa. Die Menschenfrau war entsetzt über die
wilde Jagd und nahm Lexa aus der Situation. Sie sollte jetzt mit Tom zusammen kommen.

Die Begegnung zwischen Tom und Lexa war Liebe auf den ersten Blick. Beide waren noch keine
12 Wochen alt und wurden sofort ein inniges Pärchen. Tom, der selbstverständlich frühkastriert wurde, fand in Lexa seine erste große Liebe. Man sah sie nur noch zusammen sitzen beim Putzen und Kuscheln. Sie lebten gefühlsinnig und intensiv, denn die Zeitbombe tickte bereits.

Bakterien hatten sich im eingekapselten Bauchnabelabzess von Lexa bei guten Bedingungen kräftig vermehrt. Täglich wuchs der Abszess. Lexa wurde auch sofort nach ihrer Ankunft einem Tierarzt vorgestellt, der vorschlug den Abszess operativ zu entfernen.

So wurde Lexa schon bald operiert. Alle waren zuversichtlich dass die OP gelingen würde und Lexa durch die Behandlung geheilt werden würde. Sie verkraftete auch die Narkose und OP sehr gut und kam am gleichen Tag wieder heim. Um das Aufbeißen der Wunde zu verhindern bastelte die Menschenfrau aus Baumwollstoff eine Art Kaninchen-Body, den Lexa sich auch brav anziehen ließ.

Die Nachbehandlung war sehr aufwändig, Antibiotika wurden verabreicht. Die Wunde schloss sich jedoch sehr schön und es sah aus, als habe Lexa es geschafft. Sie genoss das Leben mit Tom und zeigte ein völlig normales, fröhliches Verhalten. Sie war vollkommen glücklich. Vier wunderschöne intensive Monate artgerechtes Kaninchenleben waren ihr noch vergönnt. Doch der Abszess kam zurück. Er begann erst unbemerkt aber mit voller Kraft nachzuwachsen. Als die Menschenfrau den traurigen Befund ertastete trug sie Lexa sofort wieder zum Tierarzt. Eine Nach-OP wurde angesetzt. Am 28. Dezember 2004 wurde der Abszess erneut in Narkose eröffnet. Doch diesmal begleitete schon für Menschen unsichtbar das schwarze Kaninchen des Todes Lexa in den OP und Lexa wusste, sie würde mit ihm gehen. Sie hatte keine Angst und keinen Schmerz. Sie dachte an Tom und die wunderbare gemeinsame Zeit. Sie wusste, sie würde ihn bald wiedersehen. Den Operateuren zeigte sich nach Eröffnung ein
hoffnungsloses Bild, der Abszess war in die Bauchhöhle vorgedrungen und hatte das Bauchfell und die inneren Organe erfasst. Inoperabel. Nach während Lexa in Narkose schlief bat der Tierarzt telefonisch um die Einwilligung, Lexa zu erlösen. Was blieb der Menschenfrau übrig als zuzustimmen?

Lexa wurde 5 Monate alt und sie war jeden Tag davon glücklich. Die Menschenfrau hat ihre Entscheidung, das kranke Kaninchen zu nehmen, nie bereut. Es wurde vor der Schlange bewahrt und sein kurzes Leben war voller Freude und Liebe. Da der Abszess bis zum letzten Tag komplett abgekapselt war, hatte sie keinen Schmerz. Der wäre gekommen, aber da hatte das schwarze Kaninchen des Todes sie schon beschützt, aus dem kranken Körper genommen und über den Regenbogen getragen

Dort traf sie auch Tom wieder, der im Januar 2009 folgte. Die Jahre dazwischen fand er in Zara seine zweite große Liebe. Zara, die trächtige Kaninchenmama aus dem Tierheim, die am 29. Dezember 2004 den freien Platz von Lexa bekam. Unsere Geschichte geht weiter mit dem Schicksal der Nummer 5068.

Was ist aus Jonas geworden? Nachdem sich die Menschenfrau endlich im Internet die notwendigen Infos holte, gelan
g kurze Zeit nach der Ankunft von Zara und der Geburt der 5 entzückenden Kaninchenbabys die große Vergesellschaftung aller 8 Kaninchen.

2004 irgendwo in Bayern
aufgeschrieben 2015

Klarah z


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